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Marianne Kaiser-Bingel

Ball-Kaiserin Marianne feiert heute Nacht ein Jubiläum


NZZ, 7. Dezember 2002

M. D. «Die Dame rechts, das Brötchen links!» So bestimmt Marianne Kaiser die Himmelsrichtung einer Tafelordnung - und wird sich hüten, Damen und Brötchen im Laufe des Gesprächs noch einmal gemeinsam auf den Tisch zu bringen. Ihre Umgangsformen sind formvollendet und nachgerade richtungsweisend, Frau Kaiser betreibt dafür sogar Verbandsarbeit. Umgangsformen und Stilfragen werden denn auch in der jüngsten Auflage ihres kleinen Tanzbuches behandelt. Dieses bleibt trotzdem zur Hauptsache ein Ratgeber für Gesellschaftstänzerinnen und -tänzer, denn das ist Marianne Kaisers Parkett - als Besitzerin und Leiterin der gleichnamigen Tanzschule in Zürich Hottingen, als Gastgeberin des gleichnamigen Balls im Kongresshaus, der diesen Samstag zum 15. Mal mit einer Debütanten-Eröffnung durchgeführt wird. 1988 hat sie mit 36 Paaren und 600 Gästen begonnen, dieses Jahr werden es 73 Paare und 1200 Gäste sein. Unter ihnen Prominente, über die die diskrete Gastgeberin schweigt.

Wie sie überhaupt gerne schweigt (schön schweigt) - und damit Erfolg hat. Erfolg mit ihrer Tanzschule, Erfolg mit ihrem Ball. Dabei ist Marianne Kaisers Privatleben ebenso wenig ein öffentliches Thema, wie es ihre Schüler sind. Sie hält sich an ihre Art von Arztgeheimnis im Bewusstsein: «Ich bin eine soziale Institution.» In diesem Sinne ist tatsächlich jede Bekanntmachung schwerwiegend. Auch so aber weiss man vage, dass es schon vor Frau Kaiser die Tanzschule Kaiser gegeben hat, die in Zürich den Tanz gesellschaftsfähig machte und im vorderen Seefeld lokalisiert war; man weiss vage, dass deren Besitzer, Walter Kaiser, mit Marianne Kaiser I. ein legendäres Turnierpaar bildete, europa- und weltmeisterlich gar, dass Marianne Kaiser II. die Schule mit besagtem Walter, ihrem ehemaligen Tanzlehrer, Ende der sechziger Jahre führte, sie 1988 kaufte und heute Alleininhaberin ist.

Will man mehr wissen? Man will. Nicht nur weil diese Frau in ihrer Zurückhaltung provoziert; sondern weil man hinter ihrem Bemühen um Haltung und Form etwas ganz anderes wittert. Eine Leidenschaftlichkeit, die weit über das Tanzen hinausgeht. Als junges Mädchen in Kilchberg aufgewachsen, hat sie mehrere Jahre als Tanzlehrerin auf einem Hochseeschiff gearbeitet; dieses lief als eines der ersten die Fidschi-Inseln an, kreuzte vor Australien, Japan . . . die Art des Reisens und die Nähe zum Wasser faszinierten. Marianne Kaiser gehörte später zu den ersten Frauen in der Schweiz, die sich nicht segeln liessen, sondern selber an der Pinne standen, sie erwarb ein Hochseepatent. Dass sie als jüngere Tanzlehrerin in Zürich nachts regelmässig auf die Strasse, das heisst in die entscheidenden Dancings ging, das «Mascotte», das «Hey», um am lebenden Objekt den Salsa und von den jungen Italienern den Rock 'n' Roll zu lernen . . . kann man sich gar nicht anders vorstellen.

Ihre Ideen, Neues zu realisieren, halten sie heute noch auf Trab: Frau Kaiser denkt etwa an eine «Alternative zur Street Parade», sie denkt nach über den Versuch, ihren Arbeitstag auf 24 Stunden zu redimensionieren. Und über immer neue Möglichkeiten, ihren Schülern das Glück tanzend schrittweise näherzubringen. Und en passant die schönste Umgangsform: Toleranz.






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