Die Schweizer Meisterschaften 2003
Action und Spannung pur - vor fast leeren Rängen
Top-Organisation, faszinierende Paare und Zweikämpfe, ein Latein-Final mit Superbesetzung, beste Rahmenbedingungen für eine der spannendsten Meisterschaften der letzten Jahre.
Zuschauer und Teilnehmer waren sich einig: Die Schweizer Meisterschaften vom Wochenende des 6. und 7. September in der Sportarena Wankdorf in Bern waren spannend wie schon lange nicht mehr und gefielen ungemein. Die Organisatoren, der jubilierende Turnier Tanz Klub Bern (50 Jahre TTKB) hatte keine Mühe und Kosten gescheut, einen grossartigen Anlass auf die Beine zu stellen. Die Sporthalle war mit viel Liebe zum Detail in einen festlichen Rahmen verwandelt worden mit Rundumabedeckung der kahlen Wände bis zu den Tribünen. Die vielen Sonnenblumen, Kerzen und Lampen kamen auf dem dunkelblauen Hintergrund mit den roten Fächern besonders gut zur Geltung - ein sehr schönes Dekor. Alles klappte von A - Z reibungslos. Professionell!
Am Eingang wurde man herzlich begrüsst und erhielt einen Apéro, gestiftet von der Stadt Bern, in Form eines feinen Weissweines aus dem stadteigenen Rebberg.
Die Zuschauer
Schade, dass nur so wenige Zuschauer den Weg ins Wankdorf fanden. Am Samstag zählten wir knapp 300, am Sonntag dürften es rund 500 Zuschauer gewesen sein. Die nicht vorhersehbare Terminkollision mit dem Berner "Mattefest" hat bestimmt einige lokale Besucher davon abgehalten, die Turniertanzmeisterschaften zu besuchen, kann aber nicht alleine Grund für den schwachen Aufmarsch gewesen sein. Eintages-Besucher gaben auf Anfrage zwei Hauptgründe an:
1. Der Preis - Die Einzeleintritte auf den besten Plätzen kosteten Fr. 190.-- pro Zuschauerpaar, Kombieintritte (Samstag und Sonntag) Fr. 320.-- pro Paar.
2. Zu viel Turniertanz an einem Wochenende - Wollte man alles miterleben, musste man am Samstag beinahe 12 Stunden im und ums Wankdorf einberechnen (1. Runde 13.30 Uhr, Turnierende 1.00 Uhr in der Nacht, Unterbruch fürs Nachtessen), am Sonntag dito (11.00 - 22.OO Uhr).
Der erste Grund kann insofern entkräftet werden, als dass die Eintritte schon teurer waren und die Zuschauerzahlen trotzdem deutlich höher ausfielen (z.B. vor zwei Jahren in Wettingen). Die zweite Begründung muss ernsthaft geprüft werden. Vielleicht sollten die Meisterschaften wirklich wieder an 2 oder mehr Terminen ausgetragen werden, die Standard-Schweizer Meisterschaft z.B. im ersten Halbjahr 4 - 6 Wochen vor einem Zielwettkampf (Welt-oder Europameisterschaften), die Latein-Schweizer Meisterschaft im 2. Halbjahr dito. Terminlich wäre das realisierbar, werden die Daten der Zielwettkämpfe in der Regel doch schon 2 - 3 Jahre im Voraus festgelegt. Damit wäre auch gewährleistet, dass die aktuellen Toppaare die Schweiz vertreten, was bei einer Selektion Monate oder beinahe ein Jahr im Voraus nicht zwingend der Fall ist (dieses Jahr war aus diversen Gründen eine Ausnahme). Für die Paare und die Wertungsrichterauswahl wäre eine Teilung auch deutlich besser. Und erst für die 10 Tanz-Paare!
Stille Geniesser!
Die Teilnehmer
Insgesamt 112 Paare waren in den unterschiedlichen Kategorien am Start (Schüler Latein 6, Junioren Latein 7, Hauptklasse Standard 17, Senioren I Standard 12, Senioren II Standard 18, Hauptklasse Latein 52). Auf den ersten Blick eine schöne Zahl. Berücksichtigt man jedoch die Anzahl gelöster Lizenzen, d.h. der möglichen Teilnehmer, sieht die Sache anders aus. Fürs Jahr 2003 wurden insgesamt 345 Lizenzen gelöst, was 172 Paaren entspricht. Ziehen wir davon 5% ab (für Paare die aufgehört oder sich getrennt haben und TänzerInnen ohne PartnerIn) bleiben immer noch 164 Paare. Mit anderen Worten: An den Schweizermeisterschaften haben nur rund 2/3 der teilnahmeberechtigten Paare teilgenommen. Das wirklich Schlimme daran ist, dass in den beiden Hauptklassen und der Senioren II Standard-Klasse genügend Paare startberechtigt gewesen wären, damit es in diesen Klassen eine Hoffnungsrunde hätte geben können, d.h. alle Paare mindestens 2 Runden hätten tanzen können (ab 25 angemeldeten Paaren gibt es eine solche Runde). Diese Hoffnungsrunde konnte aber nur in der Hauptklasse Latein durchgeführt werden. Wir sind nicht die Einzigen, die das Fernbleiben eines Drittels der teilnahmeberechtigten Paare als höchst unsportlich empfanden!
Der Zusammenhang Zuschauer - Teilnehmer
Die meisten Turnierpaare dürften einige Schlachtenbummler mitbringen, sodass mehr Teilnehmer auch mehr Zuschauer anziehen dürften. Kommen die Paare nicht freiwillig an die Meisterschaften, könnte längerfristig auch deshalb über ein Meisterschafts-Obligatorium diskutiert werden. Unpopulär - klar, aber wenn es nicht anders geht? Es darf nicht mehr vorkommen, dass ein initiativer Klub, der eine so begeisternde Meisterschaft auf die Beine stellt, mit einem Riesendefizit bestraft wird!
Die Moderation
Roger Krucker und Willy Beutler waren gemeinsam für die Moderation zuständig. Und sie erledigten ihre Aufgabe souverän: Die Zuschauer wurden nicht nur sympathisch in den 4 Landessprachen begrüsst (!), nein, sogar die WertungsrichterInnen kamen in den Genuss, in ihrer Landessprache vorgestellt zu werden (z.B. auf Holländisch und Russisch!). Was für eine originelle Idee!
Die Musik
Für die Musik ab CD waren Gunar Haas und Thomas Koch zuständig. Die Auswahl war grösstenteils gut, einige Musikstücke im Latein entsprachen jedoch nicht authentischer Lateinmusik. Viele Titel wurden zudem häufig schon beim Aufrufen der Paare angespielt, d.h. bevor die Paare überhaupt tanzbereit auf dem Parkett standen. Das muss ja nicht sein, auch wenn es leider eine öfter anzutreffende Unsitte einiger DJs ist! Im Standard gab es einige Leckerbissen, z.T. schwere Musikstücke, aber herrlich für Könner! Das Live-Orchester an den Abenden, die George Paez Band, spielte ausgezeichnet.
Die Shows
Die Shows bestanden aus einem äusserst vielfältigen Programm: Allen voran Oleg und Elvira Romanov, Russland, Finalisten der diesjährigen World Professional South American Showdance Championship (Kür-WM), die in mehreren Showblöcken ihr Können unter Beweis stellten:
"Emotion", die professionelle Hip Hop-Gruppe der New Dance Academy in Bern begeisterte mit ihrer vielseitigen Show mit Breakdance-, Jazzdance-, Stepptanz- und Hip Hop-Elementen:
Und es gibt sie, die leisen, differenziert spielenden, vielseitigen Steelband Players: Die Steelband Lyss. Die 32 MusikerInnen überzeugten mit ihren vielfältigen Rhythmen und ihrem sympathischen Auftreten.
Einzig bei den "Sorellen - auf dem Weg nach oben", angekündigt als emmentalische und andere spektakuläre Showbissen, wollte der Funken nicht recht aufs Publikum überspringen; der Emmentaler Humor wurde nicht von allen verstanden, die Show war zu lang und der Applaus entsprechend spärlich.
Die Wertungsrichter
Als Wertungsrichter amteten:
Barbara Adalberti, Italien
Natasa Ambroz, Slowenien
Wolfgang Eliasch, Österreich
John Elsbury, England
Ton Greten, Niederlande
Helmut Lang, Deutschland
Oleg und Elvira Romanov, Russland (im Wechsel)
Die Wertungsrichter überzeugten: Es wurde sehr differenziert gewertet, jeder Tanz separat angeschaut, die Paare je nach Leistung in den einzelnen Tänzen bewertet (was leider nicht immer der Fall ist). Das erfreuliche Resultat daraus: In allen Kategorien gewann verdient das Paar mit der besten Tagesleistung! Für die nachfolgenden Plätze gibt es insbesondere eine Einschränkung: In der Hauptklasse Latein hätte man sich auf den Plätzen 2 - 6 durchaus eine andere Reihenfolge vorstellen können. Die Leistungsdichte ist dort jedoch sehr gross, die Wertungen entsprechend unterschiedlich (zum Glück lange nicht so krass wie letztes Jahr). Da braucht es auch Glück, denn ein einzelner Wertungsrichter kann mit einer besseren oder schlechteren Platzierung das Resultat eines Paares über mehrere Plätze verändern.
Spannung und Action
In gleich mehreren Disziplinen war schon alleine aufgrund der Startliste Spannung total angesagt:
Hauptklasse Standard - Würden es die Herausforderer, die neue Paarzusammensetzung Markus Zunker und Tetjana Antonenko (Foto A) schaffen, die amtierenden Schweizer Meister, Thomas Szegö und Corinne Roost (Foto B), zu entthronen?
A - B
Senioren I Standard - Rangliste 2002: 1. Fersini, 2. Brühwiler, 3. Suhner, 4. Rahmen, 5. Lang, 6. Martin. Die Veränderungen: Brühwiler - Rücktritt, Suhner - Rücktritt, Lang - leider nicht am Start, dazu kamen die Rückkehrer Blumer (letztes Jahr krankheitsbedingt nicht teilgenommen) und vor allem die Herausforderer Stein/Streckeisen, letztes Jahr in der Hauptklasse Standard auf dem 6. Platz. Würden Stein/Streckeisen (Foto A) die Titelverteidigung von Fersinis (Foto B) ernsthaft gefährden können?
A - B
Hauptklasse Latein - Hauptmerkmale: die letztjährigen Meister, Daniel und Pia Hümbeli waren zurückgetreten, Sven Ninnemann und Fabienne Liechti wieder zurückgekehrt (nach schwerer Krankheit des Herrn), die neue Partnerschaft, Frédéric Havez und Letizia Bevilacqua, hatte im Meisterschafts-Vorfeld mit ausgezeichnetem Tanzen und entsprechenden Resultaten auf sich aufmerksam gemacht, Michael Gubser und Maria del Mar traten nach einer Turnierpause erneut an. Und die ehemaligen Juniorenpaare, wie würden sie wohl abschneiden? Würden sie sich auf Anhieb in der Hauptklasse profilieren, sich direkt für die zweite Runde qualifizieren und als ausgezeichnete B-Paare das Klassement einiger gestandener A-und S-Klassen-Paare kräftig durcheinander wirbeln können?
Für Spekulationen, Prognosen und Spannung war Material in Hülle und Fülle vorhanden.