Walter & Marianne Kaiser-Bingel
Europameisterschaft Professional Standard 1971 in Zürich
Programm, 5. Juni 1971
Kaiser präsentiert: Die Europameisterschaft 1971 der Prof.-Tanzpaare in den Standardtänzen am 5.Juni 1971 im Kongresshaus Zürich unter der Aufsicht der Swiss Official Board.
Turniertänze:
ENGLISH WALTZ
TANGO
WIENER WALZER
SLOW-FOXTROT
QUICKSTEP
SHOW TIME
JAZZ-BALLETT THE GROOVY DANCERS
LATIN-SHOW VON LAIRD-LORRAINE
FAR EAST YAMASUKI SHOW
Liebe Gäste,
Der grosse Erfolg der ersten je in der Schweiz durchgeführten Europameisterschaft der Professionals in den lateinamerikanischen Tänzen vom Jahr 1969 hat mich veranlasst, Ihnen heute Abend den Genuss und das Erlebnis eines neuen Höhepunktes zu vermitteln.
Die Stadt Zürich, und alle unsere Gäste, sollen zum Mittelpunkt der Europameisterschaft der Professionals 1971 in den Standardtänzen werden.
Die weltbesten Tanzpaare werden Ihnen heute Abend die Kunst der Bewegung, die Schönheit der Harmonie im Gesellschaftstanzen, demonstrieren.
Die Orchester, die speziell für Sie einstudierten Tanzshows, dürften diesen Abend zu dem Erlebnis werden lassen, das wir für Sie erhofft haben.
Ihr Mitgehen - Ihre Begeisterung während der heutigen Ballnacht wären das schönste Zeichen Ihrer Zustimmung für uns.
Für die Organisation der
Prof.-Europameisterschaft 1971
Ihr Walter Kaiser
UNSER DANK
gilt in besonderem Masse allen nachstehenden Behörden und Firmen, welche durch ihr Entgegenkommen zum Gelingen des Turniers beigetragen haben, aber auch allen Firmen, die durch den Beitrag eines Inserates die Finanzierung dieses Programmes wesentlich erleichterten.
Dem Stadtpräsidenten für die Vornahme der Siegerehrungen im Kongresshaus
Dem Gartenbauamt für die schöne Blumendekoration
Dem Verkehrsverein Zürich
und der Schweiz. Verkehrszentrale für die Werbeunterstützung
Marbert Kosmetik St. Gallen
Den nachfolgenden Firmen, in deren Namen wir einige der weltbesten Paare einladen durften:
Juvena - Hurley (England)
Wohn und Decor - Westley (England)
EINSATZ AG - Gleaves (England)
Coiffeur JC - de Rijk (Holland)
Kuoni - Richter (Norwegen)
Au Grenier - Breuer (Deutschland)
Marbert Kosmetik - Rauser (Deutschland)
Porolastic - Peterzelt (Deutschland)
Annabelle - Fischer (Oesterreich)
Vandome Parfumerie - Scharmer (Schweiz)
Queens - Barsi (Frankreich)
Bank Hofmann - Tanzshow Laird-Lorrain (England)
Folgende Firmen haben uns im weiteren durch verschiedene Aktionen geholfen:
Lebensmittelverein Zürich
Reisebüro Kuoni Zürich
Printex Druck Zürich
J.C.Müller Zürich
Präsentation und Turnierleitung:
Walter Kaiser
Schiedsgericht
Alex Moore, London (Chairman of the Adjudicators)
Wertungsrichter:
Wim Bonel, Holland
René de Waal, Dänemark
Gert Hädrich, Deutschland
Walter Laird, England
Eduard Probst, Schweiz
Roger Ronnaux, Frankreich
Hans Schücker, Österreich
Protokoll
Günther Grossmann, Schweiz
Paul Haase, Schweiz
Orchester
Radio-Orchester Beromünster Leitung Hans Möckel
Eric Hauser Sextett
Die Durchführung erfolgt unter der Aufsicht der Swiss Official Board und dem ICBD (International Council of Ballroom Dancing), London
Teilnehmende Paare
Dänemark
Verner Hansen und Frau
Deutschland
Karl Breuer und Angelika Uersfeld
Wolfgang Herbers und Heide Peterzelt
Horst und Annemarie Rauser
Frankreich
René und Josette Barsi
Grossbritannien
Anthony Hurley und Fay Saxton
John und Betty Westley
Richard Gleave und Janet Wade
Holland
Marcel und Ratna de Rijk
Jaap und Greet ter Beek
Norwegen
Harry und Eva Richter
Österreich
Hans Peter und Ingeborg Fischer
Hans und Rosa Zelenka
Polen
Kazimierz Michlik und Maria Teresa Nitecka
Schweden
Gunnar Rohdin und Birgit Holmström
Schweiz
Hubert und Irene Scharmer
TANZTURNIERE
Bericht von Edouard Probst
Präsident des Swiss Official Board of Ballroom Dancing
Tanzturniere üben durch ihre prickelnde Mischung von Wettkampf und künstlerischer Darbietung eine eigentümliche Faszination auf den Zuschauer aus. In den rund sechzig Jahren ihres Bestehens Hunderte von Malen in gleicher oder ähnlicher Form wiederholt, haben sie bis heute nichts von ihrer Anziehungskraft eingebüsst.
Seit eh und je beeindruckte der gute Tänzer seine Umwelt. Schon im Mittelalter, wo die Kirche zum Teil mit gutem Grund alles Tanzen als "heydnische Lustbarkeit" und "teufflisch Treiben" verdammte, wurde die tänzerische Vortrefflichkeit eines Edelmannes lobend erwähnt. Wie hoch Goethe den gewandten und über alle neuen Schritte orientierten Kavalier schätzte, wissen wir aus den Gesprächen mit Eckermann. Nietzsches Lob des Tanzes durchzieht sein ganzes Werk und Paul Valéry nahm in "L'âme et la danse" den Tanz zum Vorwand für ein tiefsinniges Gespräch zwischen Phädrus, Eryximachus und Sokrates. Auf der gleichen Linie liegt es, wenn Napoleon I. die Haltung des österreichischen Gesandten Henckel von Donnersmarck, als dieser seiner Aufforderung mit einer Hofdame zu tanzen deswegen keine Folge leistete, "weil er nicht tanzen könne", damit quittierte, dass er verächtlich an ihm vorbeispuckte.
Neueren Datums ist der Tanz als Wettkampf. 1907, in der Hochblüte des Jugendstils, wurden vor der hellfarbigen Glaswandkulisse des Casinos in französischen Seebädern die ersten Tanzturniere im "sündigen" Tango ausgetragen. Ähnlich wie hundert Jahre zuvor der Wiener Walzer hatte auch der Tango bei seinem Aufkommen die Gemüter erregt. Erlauchte Geister griffen in den Kampf um Für und Wider ein. In Paris wetterte Kardinal Amette von der Kanzel herab: "Wir verdammen diesen schlüpfrigen und die Moral beleidigenden Tanz". Zu allen Zeiten haben Neider, die danebenstehen mussten, harmlose Freuden der anderen als Sünde verketzert. Dem Tango aber erstand im greisen Dichter Jean Richepin ein beredter Verteidiger, der ihn in einer pathetischen Rede vor dem Forum der Académie Française in Schutz nahm und ihn dadurch salonfähig machte. So wurde er zum Traumtanz unserer Eltern und Grosseltern, die noch heutigen Tages mit Verzückung davon schwärmen.
Dass dem Sieger eines Turniers ein Preis gestiftet wird, liegt auf der Hand. In dem Augenblick aber, wo ihm neben dem Preis auch ein Titel verliehen wird, der sich in unserer merkantilen Aera propagandistisch auswerten lässt, musste der Ruf nach einer Kontrolle der Turnierveranstaltungen laut werden, um missbräuchliche oder irreführende Verleihungen und Verwendungen solcher Titel zu verhindern. "Kontrolle der Turnierveranstaltungen" ist denn auch ein Punkt, der die Statuten der Tanzlehrerverbände aller Länder ziert. In der Schweiz sind die rund hundert Tanzlehrer föderalistischer Gepflogenheit gemäss in eine Reihe von Verbänden aufgespalten, deren grösster die Hälfte aller Tanzlehrer umfasst, jeder weitere aber nur mehr die Hälfte des vorhergehenden, bis die Mitgliederzahl des letzten beinahe einen irrrationalen Bruch ergibt. Diese Aufsplitterung ist aber nicht regional bedingt, sondern entspringt der Neigung jedes Einzelnen, ein Extrazüglein zu bilden. Immerhin ist der freundeidgenössische Zusammenhalt nach jahrzehntelangen und intrigenreichen Kämpfen doch soweit gediehen, dass alle Verbände sich zu einer Dachorganisation, dem "Swiss Official Board of Ballroom Dancing", zusammengeschlossen haben, welches die auf die Allgemeinheit rückwirkenden Funktionen der Einzelverbände übernommen hat, als da sind: Förderung des professionellen Standards, Ausbildung des Nachwuchses und eben Kontrolle von Turnierveranstaltungen.
Bei Welt- und Europameisterschaften sind solche Kontrollen der Wichtigkeit des Titels entsprechend besonders streng. Der Swiss Official Board übt denn auch seine Funktion nur stellvertretend für das "International Council of Ballroom Dancing" in London aus, eine Institution, welche anfangs der Fünfzigerjahre als Folge der weltweiten Verbreitung der Tanzturniere ins Leben gerufen wurde. Dieser internationalen Dachorganisation gehören die Landesverbände aller westeuropäischen Nationen an, in welchen es überhaupt Gesellschaftstanzlehrer gibt. Spanien und Portugal beispielsweise sind nicht dabei, weil diese Länder Tanzlehrer in unserem Sinne nicht kennen, auch für Gesellschaftstanz ist dort der Ballettmeister zuständig. Dafür ist Polen dabei; und von den aussereuropäischen Ländern die USA, Japan, Nationalchina, Kanada, Australien, Malaysia, Singapore und Ceylon. Die beinahe lückenlose Vertretung der Länder des ehemaligen britischen Empires fällt in die Augen. Das rührt daher, dass die Tanzform, in welcher heute auf der ganzen Welt Turniere ausgetragen werden, von Engländern geschaffen wurde, und es war naheliegend, dass diese von England aus zuerst in die Dominions und die Länder des Commonwealths ausstrahlen würde. Dass der Mann, der neben dem Schöpfer dieses English Style Victor Silvester, am meisten beigetragen hat, Alex Moore, unter uns weilt, gibt dem heutigen Abend sein ganz besonderes Gewicht.
Edouard Probst
Präsident des Swiss Official Board of Ballroom Dancing
INTERVIEW ANLÄSSLICH DER PRESSEKONFERENZ VOM 10.5.71
Presse:
Wäre es für einen Fachmann möglich, am Bildschirm Turniere zu werten?
Herr Kaiser:
Nein, der WR muss ein Paar über eine längere Phase hinweg verfolgen können. Der WR hat die Aufgabe, während zwei Minuten die in einer Runde tanzenden Paare (je sechs) miteinander zu vergleichen.
Presse:
Nach welchen Gesichtspunkten wird bei einer grossen Meisterschaft gewertet?
Herr Kaiser:
Die Wertungsrichter werden vom Organisator einer Meisterschaft vorgeschlagen; die endgültige Nomination liegt jedoch in der Kompetenz der einzelnen Landesverbände.
Bei unserer Profi-Europameisterschaft am 5.6.71 werden sieben, zum Teil ehemalige Welt- und Europameister, werten. Diese haben die Aufgabe, nach folgenden Gesichtspunkten die Leistungen der Paare zu honorieren:
- Bewegungsablauf der Tänze
- Technik
- Rhythmus und Charakteristik der Tänze
- Choreographie und Raumeinteilung
- Gesamteindruck und Harmonie
Da der subjektive Einfluss bei der Wertung stark mitspielt und die Interpretierung dieser Bewertungsskala flexibel gehandhabt wird, kommt es immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten unter den Wertungsrichtern selbst.
Presse:
Sind Sie der Ansicht, dass das heutige Gesellschaftstanzen Sport verkörpert?
Herr Kaiser:
Ein Amateurtanzpaar übt das Tanzen als reines Hobby aus und darf mit dem Tanzen kein Geld verdienen.
Professional-Tanzpaare leben meistens vom Tanzen. Ein Spitzenpaar kann über Franken 100'000.- im Jahr verdienen, tanzt es doch neben ungefähr 30 Turnieren jährlich unzählige Demonstrationen oder lässt sich für Fachtagungen engagieren. Gute europäische Profipaare sind vor allem in Japan und in Amerika sehr gefragt. Daneben geben Profipaare Unterricht an Amateure soweit es ihnen die Zeit erlaubt. Profis, denen es nicht gelingt in die Spitze vorzustossen, verdienen sich ihr Leben meistens mit einer gut aufgebauten Tanzschule.
Presse:
Wieso haben selbst die besten Profi-Paare Trainer?
Herr Kaiser:
Trotz vieler Hilfsmittel wie Spiegel, Filmaufnahmen, ist es nicht möglich, sich selber richtig zu kontrollieren. Alle Spitzenpaare nehmen regelmässig Unterricht bei den weltbesten Trainern.
EDITORIAL
Die tiefe Bedeutung des Tanzens als menschliches Bedürfnis und als Anliegen aller Zeiten - vor allem jedoch der Gegenwart - hat uns veranlasst, Sie mit einem gesellschaftlichen Ereignis zu konfrontieren:
Europameisterschaft der Prof. in den Standardtänzen vom 5.6.71.
Die frühere Trennung zwischen Gesellschaftstanz der herrschenden Schicht und Volkstanz hat sich in letzter Zeit in der Epoche der Demokratien in eine Form verschmolzen: Das Tanzen ist heute ein soziales Vergnügen aller.
Gesellschaftstänze werden heute an Wettbewerben in zwei Kategorien eingeteilt:
Die sogenannten Standardtänze wie Engl. Walzer, Tango, Wiener Walzer, Slow Foxtrott und Quickstep sind vorwiegend englischen Ursprungs - so vor allem der Englische Walzer, der Slow Foxtrott und der Quickstep, die die englische Tanztradition verkörpern. Der Foxtrott und der aus ihm hervorgegangene Quickstep sind in der Tat die eigentlichen englischen Tänze. Ihre fliegende, weiträumige Bewegung entspricht genau dem englischen Stil. Im Grunde haben beide Tänze keinen Charakter, kein Wesen, wie etwa der Tango oder Wiener Walzer, denn sie sind ja nichts anderes als in künstlerische Form gebrachte Bewegung.
Der Wiener Walter, vom Deutschen Walzer abgeleitet, hat eine ganze Kulturepoche eingeleitet. Die Wiener Musiker der Biedermeierzeit gaben dem Gemüte aller alten Ländler-Walzer Feuer und Leidenschaft, Zärtlichkeit und Eleganz. Jedermann kennt die grossen Namen des ersten Wiener Walzers:
Franz Schubert, Vogel, Lanner, Johann Strauss, Vater Johann Strauss, Sohn und seine Brüder, Joseph und Eduard. So wurde Wien nach 1815 zum Inbegriff des Walzers, zur Walzerstadt schlechthin.
Ganz anders der fünfte Standardtanz, der Tango: Als eigentlicher südamerikanischer Tanz aus der cubanischen Milonga entwickelt, wurde er vorerst Tango Argentino genannt. Die argentinische Schwermut machte aus der frechen und leichtsinnigen Milonga einen fast schwermütigen, schwül-sinnlichen, romantisch-sentimentalen Tanz. Paris übernahm und kultivierte als erste europäische Stadt den Tango. Von Paris aus eroberte er ganz Europa. Auf den drei grossen Tanzkonferenzen in London 1920/21 wurde dann der Tango von den Engländern geformt und standardisiert.
Viele Fragen und Diskussionen erhitzen heute die Sachverständigen des Gesellschaftstanzens auf der ganzen Welt. England und Deutschland als führende Tanznationen haben ihrer Mentalität entsprechend andere Auffassungen über den Gesellschaftstanz der Zukunft.
Immer wieder rühmt man die federnde Leichtigkeit aber auch die souveräne und fast nonchalante Lässigkeit der Engländer. Für die Engländer ist der Tanz mehr Kunst als Sport. Die Bewegung muss Linie haben, Form, ästhetische Vollkommenheit, Linie gewordene Bewegung.
Für die Deutschen ist der Tanz zum Sport geworden. Der Deutsche Sportbund unterstützt den Gesellschaftstanz grosszügig und möchte ihn ins Programm der olympischen Disziplinen aufnehmen.