Die Schweizer Meisterschaften 2003 - Teil 3
Hauptklasse Standard Teil 1
In der Hauptklasse Standard waren 17 Paare am Start, davon 5 B-Paare und je 6 A-und S-Paare. Je 5 Paare stellte der TTZ (Zürich) und TTKB (Bern), 4 Paare der ATZ (Zürich), 2 Paare der TSC65 (Basel) und ein Paar der TSCF (Frauenfeld), womit die Standard-Schwerpunkte in der Schweiz geklärt wären, sieht man einmal von Olivier Haller und Karine Jaton ab, die in Lausanne wohnen, aber für den TTKB starten. Das Tessin ist in der Hauptklasse Standard leider nicht vertreten.
Das Feld war breit gefächert: 2 Top-Paare an der Spitze, ein klarer 3. Platz, das Mittelfeld vom 4. - 7./8. Platz, die nachrückenden Paare vom 9. - 15. Platz und 2 etwas abgeschlagene Paare, deren Zeit sicher noch kommen wird.
Ausmarsch der Gladiatoren nach der Vorstellung
Der Zweikampf an der Spitze zwischen den amtierenden Schweizer Meistern Thomas Szegö und Corinne Roost (mehrfache 10-Tanz-Schweizer Meister und Standard-Schweizer Meister 2001 und 2002) und dem neuen Paar Markus Zunker und Tetjana Antonenko war von Anfang an sehr spannend. Markus Zunker ist ja beileibe kein Unbekannter, war er doch, mit Lotti Rost als Partnerin, bereits Standard-Schweizer Meister in den Jahren 1999 und 2000. Das Beste, was der schweizer Tanzszene und auch diesen beiden Paaren hat passieren können, ist das Aufeinandertreffen zweier so hochkarätiger Konkurrenten. Konkurrenz belebt das Geschäft, beflügelt, es wird doppelt und dreifach trainiert und effizient gearbeitet.
So verwunderte es kaum, dass beide Paare in Bestform antraten, wobei Thomas und Corinne den deutlich besseren Start erwischten: Voll motiviert mit exzellenter Paareinheit, interessanten Choreografien, Übersicht und Überlegenheit begeisterten sie das fachkundige Publikum vom ersten Schritt an. Ihre Markenzeichen sind u.a. sportliche Interpretation und Projektion nach aussen, was viele 10-Tänzer und Lateiner viel besser beherrschen als die meisten, reinen Standard-Spezialisten. Das kommt beim Publikum gut an und wird in dieser Qualität auch von den Fachleuten sehr geschätzt. Besonders beeindruckt hat der Quickstep, den Thomas und Corinne in allen Runden auf einem hervorragenden Niveau präsentierten. Sie flogen förmlich übers Parkett. Toll! Wäre die Vorrunde die entscheidende Runde gewesen, Thomas und Corinne hätten zweifelsohne die Nase vorne gehabt.
Thomas Szegö und Corinne Roost
Markus Zunker und Tetjana Antonenko verkörpern einen völlig anderen Stil: Klassischer, kontrollierter, elegant mit raumgreifenden Schwüngen, was den eigentlichen Standardtänzen, den Schwungtänzen (langsamer Walzer, Wiener Walzer, Slowfoxtrott und Quickstep) natürlich zugute kommt. Der langsame Walzer und der Slowfoxtrott von Markus und Tetjana boten einen speziellen Zuschau-Genuss. Und die guten Grundlagen dieser zwei Tänze sind wiederum ein Garant dafür, dass die anderen Tänze qualitativ ebenfalls ausgezeichnet sind. Dass Präsentation, Haltung, Harmonie und Raumeinteilung bei den Beiden stimmen, muss wohl nicht hervorgehoben werden. Markus und Tetjana ergänzen sich ideal: Ein optimales Grössenverhältnis, Routine, eine anpassungsfähige und charmante Partnerin, ein gewiss ideales Umfeld, was will man mehr.
Markus Zunker und Tetjana Antonenko
Halbfinale und Finale waren ziemlich ausgeglichen. Im Finale wurde der Eindruck von den Wertungsrichtern "abgesegnet": Der langsame Walzer und Slowfoxtrott ging mit jeweils 6 von 7 möglichen Einsern an Markus und Tetjana, der Tango und Quickstep mit jeweils 5 von 7 möglichen Einsern an Thomas und Corinne. Entscheiden musste also der Wiener Walzer, der näher am langsamen Walzer und Slowfoxtrott liegt als am Tango und Quickstep. Die logische Folge war, dass auch dieser Tanz an Markus und Tetjana ging (mit 5 von 7 möglichen Einsern).
Die Schweiz hat damit wieder zwei begeisternde Standard-Spitzenpaare. Es bleibt zu hoffen, dass beide möglichst lange dabei bleiben und sich gegenseitig zu weiteren Höhenflügen motivieren.
Locker auftanzen konnten die klaren Dritten, Michael Scherrer und Susanna Keller: Vorne fand der Zweikampf statt; dass von hinten keine wirkliche Gefahr aufkommen konnte, dafür sorgten Michael und Susanna schon selbst mit dem vielleicht besten Tanzen in ihrer Karriere. Michael ging mehr aus sich heraus als früher und war deshalb ein gleichwertigerer Partner für Susanna. Die Beiden boten Vorzeige-Posen und -Promenaden. Wie immer traten sie sehr elegant und geschmackvoll angezogen auf. Schade, dass sie aufhören!
Michael Scherrer und Susanna Keller
Die übrigen Paare können in dieser Klasse nicht oder noch nicht mithalten...
Die Top-Drei der Hauptklasse Standard im Jahr 2003
Quo vadis Standardtanzen in der Schweiz?
Nichts gegen die Leistung der Paare auf den Plätzen 5 - 17, es geht jetzt nur um den internationalen Vergleich und mögliche zukünftige Standard-Schweizer Meister: Man stelle sich vor, neben den Dritten hören auch noch die beiden Erstplatzierten auf (eine Schreckensvision!). Was bleibt übrig? Ein einziges Paar: Roger Anselmi und Nadine Müller. Und bei eben diesem hochtalentierten und attraktiven jungen Paar sind wirklich dramatische Fortschritte in den letzten zwei Jahren ausgeblieben. Wie kommt das? Dazu steht im letzten CH-Tanz (4/2003 auf Seite 19) die Mitteilung: "Mutation im Talentkader - Das Paar Roger Anselmi und Nadine Müller hat beschlossen, aus dem Talentkader auszuscheiden"! Und wie kommt das? Wie auch immer: Um die Zukunft des Standardtanzens in der Schweiz sieht es im Moment düster aus wie nie zuvor, es besteht dringendster Handlungsbedarf!
Michael Scherer